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Winter im September in der Silvretta

Voller Vorfreude auf das kommende Abenteuer startete unsere Truppe vom grünen Herz Deutschlands aus in Richtung Silvrettagebiet im Voralberg in Österreich. Die Truppe war ein bunter Haufen aus Wanderern, Kletterern und anderen Bergverrückten. Manche davon noch nie auf einem Gletscher. So wurde noch flott eine Spaltenbergung vorgeschoben, um den Gefahren am Berg zumindest im trockenen etwas Herr zu werden. Womit wir nicht rechneten war der plötzliche Wintereinbruch. Dazu aber später mehr.

Die Berge der Alpen rückten näher und die Stimmung wurde immer besser, vor allem nachdem München überwunden wurde und auf dem nächsten Rastplatz noch einmal Knoten und Gehen in Seilschaft für die eher Unerfahrenen geprobt wurde.

Nach einer wundervollen Fahrt durch die Alpen, über den Fernpass nach Österreich durch die komplett zugebaute Touristenhochburg Ischgl und die wunderschöne Silvretta Höhenstraße erreichten wir das ersehnte Zwischenziel, die Bielerhöhe am Stausee, wo wir unsere Autos parkten.

Es war merklich kälter und der kommende Winter war kaum zu leugnen. So wurden schnell die Rucksäcke auf den Rücken geschnallt, die Bergschuhe angezogen und schon ging es über die Zulieferstraße der Hütte anfangs am Stausee später immer höherschraubend an den Hängen der umliegenden Bergspitzen entlang. Das Wetter währenddessen verhieß eher nichts Gutes. Tiefhängende Wolken und eher feucht als angenehm. Dies nahm uns aber keineswegs die Vorfreude auf das kommende Abenteuer. Einige machten sich auf dem Zustieg schon einmal vertraut mit den örtlichen Gegebenheiten und bestiegen den ein oder anderen Felsen am Rande des Weges.

Nach ca. 2 Stunden Wanderung erschien endlich die langersehnte Wiesbadener Hütte. Noch schnell die schweren Rücksäcke und klobigen Bergschuhe gegen Hüttenpuschen ausgetauscht und schon konnte der entspannende Teil des Abends beginnen. Als weitere Gäste in der Hütte waren nur knapp 40 Mann der österreichischen Bergrettung anwesend, die für den Ernstfall auf den umliegenden Bergen und Gletschern trainieren wollten. Empfangen wurden wir von der Wirtin und ihrem Kollegen Ralf alias Ralle der immer einen flotten Spruch auf den Lippen hatte.

Eigentlich sollte es früh ins Bettenlager, um fit für den nächsten Tag zu sein. Aber aufgrund der Aufregung vor den nächsten Tagen und der lustigen Truppe war dies eher schwierig, so wurde der Abend etwas später als gedacht und die Nachtruhe ließ etwas auf sich warten.

Nichtsdestotrotz klingelte der Wecker für die erste Tour um halb 7. Denn wir wollten aufs Dreiländerspitz an der Ochsenscharte vorbei über den Vermuntgletscher, danach langsam aufsteigend über den Grad hoch zum Gipfel. Ein kühner Plan, denn als die ersten Frühaufsteher aus dem Fenster in die noch schlafende Landschaft blickten, staunten sie nicht schlecht, da über Nacht einiges an Schnee gefallen war und wir uns mental auf eine „Winterbegehung“ vorbereiteten.  Eifrig schlüpften wir in unsere Bergschuhe und Bergklamotten und stapften auch schon freudig durch den frischen Schnee.

Glücklicherweise konnten wir an dem Tag auf ein weiteres Bergsteigerpaar zählen, welches uns den Weg durch den Schnee vorbereitete und wir nur noch den Spuren folgen mussten. Folglich kamen wir schnell voran und erreichten bereits nach kurzer Zeit und wenigen Pausen unser Zwischenziel am Vermuntgletscher. Dort hieß es erst einmal pausieren und die tolle Aussicht genießen. Wobei es anfangs noch recht diesig und die Sicht sehr eingeschränkt war, spürte man doch die gewaltigen Wände die uns umzingelten. Nach einer kurzen Pause wurde es Ernst und die Ausrüstung wurde angelegt. Steigeisen, Eispickel und Gurt. Wir sahen eher aus wie eine Gruppe Wikinger, die sich für einen Überfall vorbereiteten. Somit stapften wir in zwei Seilschaften langsam aber stetig über den Gletscher, immer mit der Vorsicht vor Gletscherspalten. Unser Schatz der Gipfel blieb aber anfangs erst einmal außer Sicht und der Gletscher wirkte aufgrund der eingeschränkten Sicht unendlich. Die Flanken des Piz Mon (2983 m) und Piz Jeremias (3136 m) die rechts von uns in die Höhe ragten ließen sich nur schwer erahnen. Nach einer langen und teilweise leicht anstrengenden Querung des Vermuntgletschers erreichten wir den Einstieg in die ersten Kletterpassagen, wo wir unsere Seilschaft beendeten und einzeln weitergingen. Laut Tourenführer von Anno 1990 mit Gletscheraufnahmen aus den 50ern sollte uns leichte Kletterei erwarten, aber aufgrund des nächtlichen Schneefalls erhöhte sich der Schwierigkeitsgrad und somit blieben Steigeisen als auch Eispickel die Hilfsgeräte für den Aufstieg.

Nach kurzer Zeit trafen wir auf die Zweierseilschaft, welche uns den Weg bis an den Gipfel so schön gespurt hatte und hingen in der ersten Seillänge zum Gipfel. Der Vorsteigende hatte Müh und Not unter dem Schnee Sicherungspunkte zu finden. Schlussendlich konnte er sich sichern und das Seil wurde kurzerhand als Fixseil umgewandelt, damit wir dies als Sicherung nutzen konnten.

Die weiteren Fixseile wurden von unserem erfahrensten Bergsteiger und Leittier Stephan entlang des Kammes zum Gipfel fixiert, der sich tollkühn und mit einer Erfahrung, die seinesgleichen in der Gruppe suchte über dem schmalen Kamm seinen Weg zum Gipfel suchte.

 

Langsam bewegten wir uns hinterher und nach und nach erreichten alle den Gipfel. Manchen war das bis dato erlebte ins Gesicht geschrieben und man merkte leichte Anspannung am letzten Stück bis zum Gipfelkreuz und dem bevorstehenden Rückgang des vorher bestiegenen Gipfels, aber die Stimmung war trotzdem ausgelassen und alle waren glücklich. Nach ein paar tollen Aufnahmen und einem Zwischensnack machten wir uns auch schon wieder auf den Rückweg. Ursprünglich war der Plan eine weitere Gradüberquerung zu machen und einen anderen Weg zurück zu Hütte zu finden, aber aufgrund des zugeschneiten Kammes war daran nicht zu denken. Somit war der Rückzug gesetzt und wir begannen mit dem Abstieg. Dabei wurden alle möglichen Arten der Fortbewegung genutzt, von Abklettern vorwärts, rückwarts als auch auf dem Hinterteil abrutschend war alles im Repertoire. Zum guten Schluss seilten wir uns am letzten Fixpunkt zum Gletscher ab, wo wir uns wieder in Seilschaft banden, um sicher unseren Weg über den Gletscher zu finden.

Und siehe da, als ob uns der Sonnengott für unseren gelungenen Gipfelerfolg belohnen wollte, brach die Wolkendecke auf und vor unseren Augen erschien in der Sonne die volle Pracht der Winterwunderlandschaft. Zusätzlich wirkte der Gletscher beim Abstieg nicht mehr so bedrohlich und riesig, da man diesmal das Ende erkennen konnte. Und so ergab es sich, dass wir uns am Ende des Gletschers ein Wettrennen durch den Tiefschnee leisteten und voller Freude über den Schnee huschten. Das letzte Stück über den Wanderweg gestaltete sich zudem viel einfach und schneller als hin, was eher damit zusammenhing, dass wir unsere Energiereserven mit einem guten Bergsteigeressen verfeinert mit einem Gipfelbier wieder auffüllen wollten.

An der Hütte angekommen erwarteten uns schon unsere fehlenden Teammitglieder Lars, Max, Thomas und Wolfgang, die erst Samstag in der Nacht starten konnten. So war die Truppe endlich vollständig und wir erzählten aufgeregt vom gerade erlebtem Abenteuer. Obwohl wir den Leuten der Bergwacht zahlenmäßig klar unterlegen waren, unterhielten wir die ganze Hütte und je später der Abend wurde, umso ausgelassener wurden wir, was aber nicht auf das Bier zu schieben ist, da wir nicht viel getrunken hatten.

Einigermaßen zeitig ging es wieder ins Bett und David wurde wiedermal zum offiziellen Wecker am nächsten Morgen auserkoren.

Die beiden nächsten Tage liefen ähnlich erfolgreich ab, wobei diesmal ein anderer Weg einzuschlagen war und wir ab dem Gletscher selber spuren mussten. Da dies kein leichtes Unterfangen war, wechselten wir uns ab und manche kamen so in den Genuss zum ersten Mal den Weg über einen Gletscher zu finden, der komplett verschneit war. Mit voller Freude aber auch äußerster Vorsicht überquerten wir sicher den Gletscher, wobei wir ein paar Mal kleine Eisbrücken und Spalten überqueren mussten. Aber dank der tollen Gruppendynamik und der daraus resultierenden Motivation fanden wir uns schon nach kurzer Zeit am Einstieg des Piz Buins als auch am Folgetag am Silvrettahorn. Die Besteigung lief ähnlich ab und Fixseile halfen den weniger erfahrenen Bergsteigern beim Erklimmen. Nach ein paar kleinen Kletterpassagen und teilweise steilen Querungen erreichten wir die Gipfel und es konnte gefeiert werden.  Zwei weitere Gipfel konnten ins Gipfelbuch eingetragen werden. Glücklicherweise war auf dem Piz Buin ein Gipfelbuch zum eintragen, was auf den anderen Gipfel eher einer feuchten Maße glich. Nach der Verewigung ging es vorsichtigen aber stetigen Schrittes zurück zum Gletscher und folglich zur Hütte. Da eine freudige Stimmung nach der erfolgreichen Besteigung herrschte, fühlte sich der Weg auf dem Gletscher wie fliegen an und manche Gletscherspalten wurden übersprungen. Da passt auch wieder da Sprichwort: „Übermut kommt vor dem Fall“, da einer unserer Bergsteiger den Sprung zwar schaffte aber währenddessen ein riesen Loch in seine Hose riss. Nach einem kurzen Aufreger aufgrund der Dummheit ging die Tour schnell weiter und der Abend auf der Hütte konnte kommen.

Für manche war der Tag aber noch nicht vorbei und die Kletterschuhe wurden ausgepackt, um in den umliegenden Felsen zu klettern. Entweder aus Lust und nur aus Trotz, da das schwere Kletterseil mitgeschleppt wurde, wurden die kalten Wände gemischt mit leichtem Schneefall und Nebel in Kauf genommen und zumindest eine Route musste geklettert werden. Wobei sich Martin als Vorsteiger anbot und der Rest folgte. Nach ein paar Blessuren, erfrorenen Gliedmaßen und abgebrochenen Griffen war an weiteres Klettern aufgrund der Wetterlage nicht mehr zu denken und wir machten uns halb erfroren aber durchaus glücklich auf den Weg zurück zur Hütte.

Aufgrund der erfolgreichen Tage wurde am letzten Abend das ein oder andere Bierglas geleert, sodass ein paar am nächsten Morgen erst einmal die letzte Tour vor der Fahrt absagen wollten. Und generell die Tour infrage gestellt wurde. Aber irgendwie stieg die Motivation und alle stiegen mit auf. Diesmal sollte es auf den Ochsenkopf gehen ohne Gletscherüberquerung. Schon vom Start an war die Sicht sehr schlecht und die Orientierung schwierig. So kam es, dass wir uns mit Hilfe des GPS erst einmal den richtigen Weg suchten mussten. Es ging nun querfeldein über massenweise Schnee mit schwersten Sichtverhältnissen. Aber ohne weitere Probleme erreichten wir unser Zwischenziel die …scharte. Wobei ganz ohne Probleme auch nicht. Es gab einen kurzen Schreckmoment ausgelöst von Lars. Als Spurer vornean in einer Querung rutschte plötzlich ein kleines Schneebrett ab und Lars ging mit ab. Glücklicherweise war dies nur ca. 1,5 m hoch und die Landung war weich. Trotzdem blieb kurz das Herz stehen, Lars aber hatte seinen Spaß.

An der Scharte angekommen, machten wir Rast und überlegten die nächsten Schritt. Das Ziel war eigentlich der Gipfel, aber aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und des schlechten Wetters entschied die Gruppe zur Umkehr und wir stapften diesmal etwas gezielter zurück zur Hütte.

An der Hütte angekommen wurden schnell die Rucksäcke gepackt und der Rückweg konnte beginnen. Die Fahrt war unspektakulär bis auf ein paar tolle Hits, wie Griechischer Wein im Radio. Spät abends erreichten wir wieder unser Ziel und somit auch den Alltag. Und schon an den darauffolgenden Tagen kitzelte es in den Fingern und weitere Pläne für die nächsten Wochen wurden geschmiedet.

Zusammenfassend kann man sagen (am liebsten würde ich hier schreiben „nur geiler Scheiß“. Aber ich denke das passt nicht so ganz zu einer Veröffentlichung vom DAV), dass diese Tour ein voller Erfolg war. Bergsteigen mit einer tollen Truppe in einer wundervollen Umgebung. Und trotz der großen Gruppe und Vielzahl an Anfängern hat alles wunderbar funktioniert und einiges an Wissen wurde vermittelt. Die Motivation und Stimmung in der Gruppe war stets auf einem tollen Niveau und machte Laune auf mehr.