Ortler (3.905 m)
Der Höhepunkt der Hochtour war für mich definitiv der letzte Tag. Als letzte Seilschaft starteten wir erst 6 Uhr an der Payer Hütte. Mit Stirnlampen kraxelten wir einem malerischen Morgenrot entgegen, während der Weg immer mehr in leichte, aber ausgesetzte Grat-Kletterei überging. Für mich persönlich war das der beste Part der Gipfeltour - tolle Aussicht, alles im 1. bis 3. Grad, Klettersteig-artig und gut abgesichert. Anschließend querten wir einen bis zu 40° steilen Firnhang in das Gletscherbecken "Bärenloch", gingen am Lombardi Biwak vorbei und überholten einige andere Seilschaften auf dem Oberen Ortler-Ferner. Nach langem Steigeisen-Gehen erreichten wir etwas außer Atem, aber bei schönstem Sonnenschein nach genau 3 Stunden den (etwas überfüllten) Ortler-Gipfel (3905m). Zwar lagen die Täler in einer weißen Wolkendecke, doch erkannten wir in der Ferne die Gipfel der Bernina-Alpen.
Nach einem Stau-reichen Rückweg auf die Payer Hütte belohnten wir uns mit einem weiteren leckeren Apfelstrudel und packten unsere Rucksäcke für den Abstieg ins Tal. Die 1170 Höhenmeter bergab nach Sulden waren nach der Ortler-Besteigung eine echte Herausforderung für unsere Knie. Zum Glück erreichte uns der vorhergesagte Regen erst an der Tabaretta Hütte, von welcher wir einem Wanderweg talwärts zum Parkplatz zurück folgten. 15 Uhr beendeten wir die Tour am Auto - und der leichte Regen verebbte.
Im Nachhinein muss ich feststellen, dass ich während der Tour mehr gelernt habe, als an meine Grenzen zu gehen: ich habe gelernt, dass mein Körper leistungsfähiger ist, als ich je dachte. Sowohl physisch als auch psychisch: trotz zweifeln und inneren Kämpfen hatten wir es alle geschafft. Es waren definitiv die bisher körperlich anstrengendsten Tage meines Lebens, doch das Erlebnis war jeden Muskelkater und jede Blase am Fuß wert.
Was bleibt sind unvergessliche, aber auch nachdenklich machende Eindrücke: noch nie war mir der Klimawandel und die Folgen der Eingriffe der Menschen in die Natur so deutlich vor Augen geführt worden. Werden meine Kinder irgendwann auch noch die Möglichkeit haben, durch den wunderschön glitzernden Schnee des Oberen Ortler-Ferners zu gehen?